Podiumsdiskussion "Wie weiter in der Demokratieförderung"

Die Veranstaltung der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus (BAG K+R) zur Frage „Wie weiter in der Demokratieförderung?“ wurde am 12. Mai 2021 von politischen Ereignissen eingeholt, gar ein bisschen überholt. Wenige Stunden vor Beginn der Veranstaltung erschien der Abschlussbericht des Kabinettausschusses zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus sowie ein Papier, welches die „Eckpunkte für ein Gesetz zur Stärkung und Förderung der wehrhaften Demokratie“ enthält, dass seit einiger Zeit angekündigt wurde. Stand und Inhalte des Eckpunktepapiers waren der Öffentlichkeit bisher unbekannt. Dem Podium gelang es an diesem Tag in besonderer Weise herauszustellen, wie wichtig gerade jetzt Vernetzung und Strategieaustausch zum geforderten Demokratiefördergesetz sind.

Die Podiumsgäste, die 35 Veranstaltungsteilnehmer*innen und die Moderatorin Jutta Weduwen, Geschäftsführerin von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste und Mitglied des Sprecher*innenrats der BAG K+K, sprachen daher über ihre Einschätzungen zum aktuellen Stand des Gesetzes und entwickelten gemeinsame Strategien über den weiteren Umgang mit den Eckpunkten für das Gesetz.

In diesem Zusammenhang betonte Grit Hanneforth, Geschäftsführerin des Bundesverbands Mobile Beratung e.V., noch einmal, dass schon der Begriff „wehrhafte Demokratie“ eine Schwerpunktsetzung bedeute, die die so wichtige Stärkung einer demokratischen Kultur in einer lebendigen Zivilgesellschaft aus dem Auge zu verlieren droht. Sie fragte konkret: „Welche Funktion soll das Gesetz in der Gesellschaft erfüllen?“ Soll es die Demokratie (verstanden als seine staatliche Institutionen) verteidigen oder soll es auch die Zivilgesellschaft, allen voran auch jene Teile, deren Arbeit und Erfahrungen häufig nicht gehört oder gesehen werden,  stäken, empowern und unterstützen? Grit Hanneforth ist vor allem letzteres ein großes Anliegen. Diese Schwerpunktsetzung findet sie in den aktuell veröffentlichten Eckpunkten leider nicht wieder, obwohl sie vielfach von Beratungsverbänden und Migrant*innenselbstorganisationen gefordert wurde.

Prälat Dr. Martin Dutzmann, Bevollmächtigter des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union, zeigte sich enttäuscht, dass zahlreiche Briefe unbeantwortet blieben, in denen kirchliche Träger und Projekte aufgezeigt und als Umsetzer*innen des Maßnahmenkatalogs sowie als Ratgebende für ein Gesetzesentwurf angeboten wurden. Dass der Generalverdacht gegenüber den demokratiefördernden Projekten doch Einzug in die Eckpunkte für ein Gesetz gefunden haben, lehnt Prälat Dutzmann zudem ab.

Prälat Dr. Karl Jüsten, Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe – Katholisches Büro in Berlin, mahnt, Gründlichkeit vor Schnelligkeit walten zu lassen, und die Eckpunkte bzw. den Gesetzesentwurf selbst genau zu prüfen. Vier Sitzungswochen vor Ende der Legislaturperiode so ein Gesetz schnell durchzuwinken, sei kein der Sache angemessenes Verfahren. Nach wie vor sei das Gesetz wichtig, wo es Demokratieförderung verstetigt und die „Projektitis“ behebt – die dafür notwenigen Änderungen auf Bundesebene sind jedoch komplex und sollten im angelaufenen Wahlkampf nicht übersehen und oberflächlich behandelt werden.

Ole Jantschek, Bundestutor der Evangelischen Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung und stellvertretender Generalsekretär der Evangelischen Akademien in Deutschland, macht sich dafür stark, Demokratieförderung nicht auf Extremismusprävention zu verkürzen. Gerade in der politischen Bildung sei es Aufgabe, Subjekt und Gesellschaft zu stärken und Demokratie auch als streitbaren Raum zu verstehen. Ein wehrhaftes Demokratiegesetz gäbe es zudem schon: das Grundgesetz. Was es aber brauche, sei eine stabile und nachhaltige Absicherung von Demokratieförderprojekten, die Arbeit vor Ort leisten, die Selbstwirksamkeit erzeugen, Selbstreflexion anregen und auch zeitaufwändige Ansätze verfolgen.

Ole Jantschek wie auch die anderen Podiumsteilnehmer*innen sprachen sich schlussendlich gemeinsam dafür aus, weiterhin klare Forderungen zu stellen und sich nicht überrumpeln zu lassen. Nach den Veröffentlichungen des 12. Mais gehören zu diesen Forderungen nun auch, die fachliche Beratung durch die und den Austausch mit der Zivilgesellschaft nicht plötzlich abbrechen zu lassen und sich mehr Zeit zu nehmen im Prozess zu einem guten Demokratiefördergesetz.

Prälat Dutzmann und Prälat Jüsten werden sich mit den zusammengetragenen Leerstellen und Anpassungswünschen erneut an die Bundespolitik wenden. Nachdem seit 2004 ein Demokratiefördergesetz gefordert und benötigt wird, soll das jetzt zu formulierende nicht durch Schnelligkeit, sondern durch Qualität bestechen.

Text: Katja Teich