Grußwort von Bischof Gerhard Feige

Grußwort zur Tagung der BAG Kirche und Rechtsextremismus
am 29./30.09.2017 in Magdeburg

Sehr geehrte Frau Landesbischöfin, liebe Schwester Junkermann,
sehr geehrter Herr Flad,
sehr geehrte Damen und Herren vom SprecherInnenrat und alle Mitglieder der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus,
Herr Prof. Palaver, Frau Prof. Bulli und Herr Mohamad,
sehr geehrte Damen und Herren,

„ich bin ja tolerant“, so habe ich neulich eine Dame lautstark tönen hören, „aber nicht gegenüber Migranten“. Solche und ähnliche Parolen tauchen nicht mehr nur an Stammtischen auf. Sie haben längst die Mitte unserer Gesellschaft erreicht. Man kann sie überall hören: in der Straßenbahn, beim Einkaufen, bei Familienfeiern und selbst in christlichen Gemeinden. So vermutet der aus dem Kongo stammende Olivier Ndjimbi-Tshiende, der frühere Pfarrer von Zorneding bei München, dass die rassistischen Schmähungen, denen er ausgesetzt war, durchaus auch von Gemeindemitgliedern stammen könnten. „Wir werden dich auslöschen“ hieß es z.B. in einem der Drohbriefe, die bei ihm eingingen.

„Niedermachen – verunglimpfen – hassen“: So haben Sie Ihr morgiges Podiumsgespräch überschrieben. Ja, in erschreckendem Ausmaß sind Hass und Gewalt allgegenwärtig. Und der Wahlkampf hat gezeigt, dass die Spitzenpolitiker der AfD keine Scheu hatten, einander mit radikalen und rassistischen Parolen zu überbieten. „In Deutschland hat sich eine neue rechte Bewegung etabliert“, schreiben Sie in der Einladung zu Ihrer Tagung. Diese Bewegung greift die Stimmung all derer auf, denen die Zuwanderung von Flüchtlingen Angst macht und die sich vor einer angeblichen „Überfremdung“ unserer Kultur fürchten.

In unserer Region spricht sie darüber hinaus auch all diejenigen an, die sich „abgehängt“, zu kurz gekommen und entwurzelt fühlen. Und das sind offenbar nicht wenige. Denn nach 1989 kam es zu sozialen Verwerfungen, die bis heute nicht wirklich befriedet sind. Und die demografische Entwicklung hat dazu geführt, dass man zumindest in einigen Regionen von einer geschwächten Bevölkerung sprechen kann, die aufgrund ihrer Alterszusammensetzung kaum noch in der Lage ist, die neue Situation aktiv mit zu gestalten. Es gibt hier, so konnte man kürzlich in einer Reportage lesen, geradezu „demokratieentleerte Zonen“, in denen sich die Menschen am ehesten in den rechtspopulistischen Positionen wiederfinden.

 

Diese stellen jedoch die grundlegenden Werte des Zusammenlebens in unserer Gesellschaft in Frage. Erst recht sind sie mit dem christlichen Glauben unvereinbar. Denn in der Geschichte der Kirche besteht das Volk Gottes von Anfang an aus Menschen aller Nationen. Gott ist weder ein Kulturgut noch ein Nationalgott. Und in der prophetischen Tradition des Alten und Neuen Testaments stehen gerade die Opfer ungerechter Gewalt im Mittelpunkt: die Fremden und Verfolgten. Ihnen gilt die besondere Zuwendung Gottes. Dies ist eine geradezu kopernikanische Wende in der Kulturgeschichte: Die Fremden soll man nicht nur nicht unterdrücken, sondern man soll sie lieben wie sich selbst. In einer anderen Übersetzung, die dem Hebräischen noch näherkommt, heißt es sogar: „Du sollst deinen Nächsten lieben: Er ist wie du“ (E. Zenger). Und die Nächsten: das sind schon im Alten Testament nicht nur die „eigenen Leute“, sondern gerade auch die Fremden. Das Gebot der Nächstenliebe ist also von Anfang an „nicht partikularistisch, sondern universalistisch verstanden worden“ (A. Lob-Hüdepohl u.a.).

Die Absage gegenüber jeder Art von Fremdenfeindlichkeit ist deshalb für Christinnen und Christen nicht verhandelbar. Ja, „der Widerstand gegen Rechtsextremismus ist Christenpflicht“ (A. Lob-Hüdepohl u.a.). Als Kirchen ist es unsere Aufgabe, zu bezeugen, dass alle Menschen miteinander verbunden sind. „Es gibt jetzt nichts mehr, was nur den einzelnen anginge und träfe: kein Unrecht, das gegen ihn bloß geübt würde und keine Not, die er ganz für sich zu tragen hätte. Jeder Frevel gegen einen ist ein Verbrechen gegen alle Menschen, und jedes Bedürfen des einzelnen an alle eine Forderung“ (L. Baeck).

Entgegen allen fremdenfeindlichen und rassistischen Tendenzen, allen hasserfüllten Protesten und gewalttätigen Übergriffen, die seit einiger Zeit zu verzeichnen sind, brauchen wir deshalb mehr denn je noch stärkere politische Bemühungen, eine solidarische Zivilgesellschaft und eine neue Kultur der Mitmenschlichkeit. Wie hat es doch Pater Dartmann, ein Jesuit, treffend einmal gesagt: „Ich habe keine Angst vor einer Überfremdung von außen, wohl aber vor einer Entmenschlichung von innen.“

Im Umgang mit den Flüchtlingen wird sich zeigen, wes Geistes Kind unsere Gesellschaft wirklich ist, ob sie satt und zufrieden nur um sich selbst kreist, sich ängstlich abschottet und fremde Not verdrängt, oder ob sie weltoffen und fantasievoll mit dazu beiträgt, die anstehenden Herausforderungen konstruktiv und menschenfreundlich zu bewältigen.

Ich bin dankbar, dass sich die Veranstalter dieser Tagung solchen Herausforderungen stellen. Im Nachgang zur Bundestagswahl ist dies ein starkes Zeichen, vor allem auch hier in Sachsen-Anhalt.  So wünsche ich Ihnen allen einen konstruktiven Austausch miteinander. Mögen Sie in Ihren Bemühungen um eine solidarische, von der Kultur der Mitmenschlichkeit geprägte Zivilgesellschaft gestärkt werden!

+ Gerhard Feige