25.
Feb 2019
Ein Tag für Mehmet Turgut
Im Juli 2018 wurde am Oberlandesgericht München das Urteil im Prozess gegen den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) gesprochen und die strafrechtliche Aufarbeitung des NSU Komplexes weitgehend beendet. Erst im vergangenen Mai konstituierte sich in Mecklenburg-Vorpommern ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss zum NSU, der dessen Aktivitäten in Mecklenburg-Vorpommern aufklären soll. Mit der Veranstaltung wollen wir auf die zahlreichen offenen Fragen in Bezug auf den Mord an Mehmet Turgut am 25. Februar 2004, die Verbindungen des NSU-Netzwerks nach Mecklenburg-Vorpommern sowie die Kontinuitäten rassistischer Gewalt hinweisen.
Mehmet Turgut und sein Bruder Yunus suchten in Deutschland als junge Kurden Schutz vor Verfolgung. Das Leben von Mehmet Turgut steht beispielhaft für die Situation vieler Geflüchteter in Deutschland. Da sein Asylantrag zwei Mal abgelehnt wurde, lebte und arbeitete er mit der Identität seines Bruders, als er Opfer eines rassistischen Anschlags des NSU wurde. Der 25-Jährige wurde mit mehreren Schüssen aus unmittelbarer Nähe in einem Imbiss getötet, wo er am 25. Februar 2004 zufällig aushalf. Statt ein rassistisches Motiv in Betracht zu ziehen, ermittelte die Polizei auch bei dem vierten Mord der damals sogenannten Ceská-Mordserie gegen Verwandte, Bekannte sowie das soziale Umfeld von Mehmet Turgut. Der Mord an Mehmet Turgut in Rostock-Dierkow ist der einzige Mord des NSU, der in einem ostdeutschen Bundesland begangen wurde.
Eine grundlegende Untersuchung der Verbindungen des NSU-Netzwerks nach Mecklenburg-Vorpommern und die Dimension rassistischer und rechter Gewalt ist dringend notwendig. Seit 1991 gibt es hier eine deutliche Kontinuität rechten und rassistisch motivierten Terrors. Die dringend notwendige Aufarbeitung einer staatlichen Mitverantwortung und des Verhaltens der Strafverfolgungsbehörden sowie des Verfassungsschutzes fand über Jahre kaum statt. Auch in Mecklenburg-Vorpommern gab es zahlreiche Widerstände gegen die Einrichtung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum NSU. Zwar wurde 2016 ein Unterausschuss des Innenausschusses des Schweriner Landtags eingesetzt, der jedoch über keine hinreichenden Befugnisse wie das Beiziehen von Akten oder das Laden von Zeug*innen verfügte.
Der Umgang der Ermittlungs- und Sicherheitsbehörden mit rechter und rassistischer Gewalt, staatliches Handeln im Umgang mit (strukturellem) Rassismus sowie die Frage nach mutmaßlichen Unterstützer*innen des NSU-Kerntrios in Mecklenburg-Vorpommern stehen im Mittelpunkt des Fachtags. Und es geht im Besonderen darum, wie vor Ort eine neue Kultur der Solidarität mit Betroffenen rassistischer Gewalt gefördert werden kann.
Engagierte aus Gedenkinitiativen, Politiker*innen, Wissenschaftler*innen und unabhängiger Projekte, die Betroffene rechter und rassistischer Gewalt in Mecklenburg-Vorpommern unterstützen, diskutieren über die Grenzen der Aufklärung im NSU-Komplex, die Chancen, die der späte Parlamentarische Untersuchungsausschuss in Schwerin sowie Untersuchungsausschüsse überhaupt haben können, die Praxis der Strafverfolgungsbehörden, die Forderungen und Ansprüche der Betroffenen sowie die Konsequenzen, die angesichts rechter Mobilisierungen auf staatlicher und zivilgesellschaftlicher Seite gezogen werden, und den Umgang mit Rassismus und rechter Gewalt im Alltag.
Eine Veranstaltung der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche & Rechtsextremismus in Kooperation mit:
Evangelische Akademie der Nordkirche, Evangelische Akademie zu Berlin, NSU-Watch, Lobbi e.V. – Beratung für Betroffene rechter Gewalt in Mecklenburg-Vorpommern und der Initiative „Mord verjährt nicht“.
Die Veranstaltung ist kostenfrei.
Keine Anmeldung mehr möglich.
//Initiative „Mord verjährt nicht“//
Gefördert durch:
Links & Downloads