Pressemitteilung  -  09. Oktober 2021

Jahrestagung der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus (BAG K+R) am 8./9. Oktober 2021 in Bonn

„Wir müssen uns nicht schämen, sondern eine intersektionale kritische Haltung einüben“

Kirche, Wissenschaft und Praxis werfen einen selbstkritischen Blick auf den Zusammenhang von Rassismus, Antisemitismus und Sexismus

Am 8./9. Oktober fand in Bonn die diesjährige Jahrestagung der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus (BAG K+R) statt. Im Mittelpunkt der Tagung stand der Zusammenhang zwischen Rassismus, Antisemitismus und Sexismus. Insgesamt 90 Teilnehmer*innen diskutierten vor Ort und online über die gesellschaftliche und kirchliche Auseinandersetzung mit diesen Phänomenen.

Schon in den Grußworten setzten Dr. Thorsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Inna Goudz, Geschäftsführerin der jüdischen Gemeinde am Nordrhein, und Gregor Podschun, Bundesvorsitzender des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), klare Akzente. Trotz unterschiedlicher Perspektiven sprachen sie sich dafür aus, dass Zivilgesellschaft, Kirche und auch Sicherheitsbehörden stärker intersektional sowohl auf eigene Fehler und Möglichkeiten blicken, als auch Solidarität mit denen üben, die von Mehrfachdiskriminierung tagtäglich betroffen sind. Aufklärung und Selbstreflexion seien dafür unabdingbar, so Gregor Podschun abschließend.

Die Intersektionalität von Rassismus, Antisemitismus und Sexismus wurde anschließend im Hauptvortrag von Dr. Katharina von Kellenbach von der Evangelischen Akademie zu Berlin, und Pfarrer Lusungu Mbilinyi genauer beleuchtet. So schilderte von Kellenbach in ihrem Vortrag, dass Rassismus, Sexismus und Antisemitismus ideologisch und aufgrund ihrer Geschichte des Widerstands zusammenhängen, sich gleichzeitig aber auch deutlich unterscheiden.  Rassismus und Sexismus teilten stärker das Fundament der Ideologie der Unterwerfung und Ausbeutung, Antisemitismus sei vor allem eine Vernichtungsideologie, so die Theologin.

Mbilinyi verdeutlichte anhand seiner Arbeit in Tansania und Deutschland, wie er nach und nach lernte, dass Theologie – selbst seine eigene – rassistisch, antisemitisch und sexistisch sein kann. Er plädierte dafür, eine kritische Haltung einzunehmen, aber auch Geduld mit der schwierigen Aufgabe intersektionaler Theologie zu entwickeln. Vor allem sei es wichtig, nicht bei der Scham über die eigenen Fehler zu verweilen oder an ihr zu verzweifeln, sondern kritisch (an sich) weiterzuarbeiten.

Am zweiten Tag regte Prof.in. Dr. Astrid Messerschmid eine intersektionale Auseinandersetzung mit dem Holocaust und den Kolonialverbrechen an und sprach sich dafür aus, beide nicht miteinander in Konkurrenz zu setzen. Die Auseinandersetzung mit den zwei moralischen Narrativen des 20. Jahrhundert müsse weniger identitätspolitisch geführt werden, sondern stärker ein historisches Wissen über Strukturen und Ideologien erarbeiten, die bis heute fortwirken.

Im Anschluss stand eine Studie der Evangelischen Kirche Deutschland im Mittelpunkt. Die Studie untersucht die politische Kultur in Kirchengemeinden. In der Diskussion mit Professor Dr. Peter Rieker, Professorin Dr. Claudia Schulz und Dr. habil Hilke Rebenstorf ging es insbesondere darum, wie die Studie für die kirchliche Arbeit gegen Rechtsextremismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit genutzt werden kann. Für die gemeindliche Auseinandersetzung mit polarisierenden Einstellungen und Reaktionen auf gesellschaftlichen Entwicklungen brauchen Gemeinden vor allem Zeit und Begleitung, so Prof.in Dr. Claudia Schulz.

In zehn Workshops konnten die Teilnehmer*innen in Bonn schließlich viele Themen vertiefen und um eigene Erfahrungen und Ideen ergänzen. So wurden bspw. israelbezogener Antisemitismus in kirchlichen Kontexten, Verschwörungsideologien, Grundlagen antirassistischer Haltung, die nordrheinwestfälische Neonazi-Szene sowie Perspektiven für digitales Engagement und Vernetzung diskutiert.

Das Forum fand statt in Kooperation mit dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend, der Evangelischen Akademie zu Berlin, dem Arbeitskreis Christ*innen gegen Rechtsextremismus Dortmund, der Evangelischen Akademie im Rheinland, der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus NRW, dem Rheinischen Dienst für Internationale Ökumene der Evangelischen Kirche im Rheinland und dem Evangelischen Forum Bonn.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus ist ein ökumenisches Netzwerk von ca. 50 Organisationen, Basisinitiativen und Projektstellen aus dem kirchlichen Raum und der Zivilgesellschaft. Ihre Mitglieder treten Rechtspopulismus, Rechtsextremismus und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entgegen. www.bagkr.de

 

Bei Nachfragen:
Henning Flad (Geschäftsführung)
BAG Kirche & Rechtsextremismus
Tel.: 0176/20681026

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