Aktuelles  -  26. Februar 2019

15 Jahre nach dem Tod von Mehmet Turgut: institutioneller Rassismus ist allgegenwärtig

Tagung der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche & Rechtsextremismus in Rostock zu den Verbindungen des NSU in den Nordosten und die Aufarbeitung durch den parlamentarischen Untersuchungsausschuss / Kultur der Solidarität mit Betroffenen rechter und rassistischer Gewalt muss gestärkt werden.

Gespräch mit Angehörigen und Betroffenen des NSU-Terrors

Welche Verbindungen hatte der Nationalsozialistische Untergrund NSU nach Mecklenburg-Vorpommern? Und welche Möglichkeiten hat der parlamentarische Untersuchungsausschuss bei der Offenlegung eines rechten Netzwerkes und eines institutionellen Rassismus? Diese beiden Fragen, aber auch die Anliegen der Opfer standen im Mittelpunkt einer Tagung, zu der die Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche & Rechtsextremismus anlässlich des 15. Todestages von Mehmet Turgut heute (25. Februar 2019) nach Rostock eingeladen hatte. Der damals 25-Jährige war 2004 in Rostock erschossen worden.

Rund 100 Expert*innen und Vertreter*innen aus Kirche, Gesellschaft und Politik sowie Hinterbliebene diskutierten vor allem die Rolle staatlicher Behörden im Rahmen der Ermittlungen und die Herausforderungen der Zivilgesellschaft im Umgang mit institutionellem Rassismus. Der Journalist Dirk Laabs und seine Kollegin Andrea Röpke, beide ausgewiesene Kenner der Szene, machten deutlich, dass es eine Verbindung des NSU-Trios Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt nach Mecklenburg-Vorpommern gegeben haben muss, und dass der Verfassungsschutz davon wusste. Beides wird vom Innenministerium des Landes deutlich verneint. Gab und gibt es dieses vermutete rechte Netzwerk, sind Mitwisser und Unterstützer noch immer auf freiem Fuß.

Über die Einsetzung und die Arbeit des erst nach langem Zögern im Mai 2018 eingerichteten NSU-Untersuchungsausschusses berichteten Julian Barlen, Generalsekretär des SPD-Landesverbandes, und Peter Ritter (DIE LINKE) als Ausschuss-Mitglied. Sie nahmen die dringende Empfehlung mit nach Schwerin, alle Möglichkeiten des Gremiums effektiv zu nutzen, um die Rolle der Bundes- und Landesbehörden bei der Ermittlung des NSU-Umfeldes im Nordosten aufzudecken.

Markus Wiechert als Landeskirchlicher Beauftragter der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland, Juri Rosov, Vorsitzender des Migrantenrats der Hansestadt Rostock e. V. sowie Vertreter*innen von NSU-Watch, Lobbi e. V. – Beratung für Betroffene rechter Gewalt in Mecklenburg-Vorpommern sowie der Initiative „Mord verjährt nicht“ mahnten Politiker*innen und die Zivilgesellschaft, rechten Terror nicht zu übersehen und Aufklärung einzufordern. Dass sich die Kirche dieser Aufgabe stelle, würden unter anderem die von der Evangelischen Akademie der Nordkirche getragenen Regionalzentren für demokratische Kultur und das Engagement in vielen Kirchgemeinden deutlich machen.

Der Cousin von Mehmet Turgut und Familienmitglieder anderer Opfer rechtsextremer Gewalt aus Mölln, Hamburg und Köln machten deutlich, wie wichtig es ist, die Wahrnehmung der Ereignisse durch Betroffene zu kennen. Die Sicht der Opfer auf die Geschehnisse werde noch immer bewusst ausgeblendet. Konkret wurde die bereits bestehende Forderung an die Hansestadt Rostock noch einmal bekräftigt, eine Straße nach Mehmet Turgut zu benennen.

Rostock/Berlin, den 25. Februar 2019

 

 

Text: Dörte Bluhm
© Bilder: Dorothea Kahmann

Bei Nachfragen:
Henning Flad (Geschäftsführung)
BAG Kirche & Rechtsextremismus
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