Newsletter der BAG Kirche + Rechtsextremismus 1/2024
Zwei Tage lang ging es um die Suche nach und das Ringen um kirchliche und theologische Antworten auf die Probleme von Rassismus, Rechtspopulismus und Menschenfeindlichkeit. Schon am Freitagabend bekräftige Gabriele Wulz, Prälatin der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, in ihrer Begrüßung: „Gegen die Instrumentalisierung der Bibel hilft nur die geistliche und geistige Anstrengung, die Geister zu unterscheiden.“
Und auch die Grußworte zeigten deutlich, als wie relevant und aktuell ein (wieder) Mehr an Theologie betrachtet wird – auch verbunden mit einem selbstkritischen Blick: Prof. Dr. Wolf-Dietrich Hammann aus dem Ministerium für Soziales und Integration Württemberg formulierte in seinem Grußwort: „Wir müssen theologisch und staatlich Nächstenliebe radikal denken. Kirchen sind Körperschaften öffentlichen Rechts und damit geht eine Verantwortung einher, für eine Gesellschaft der Menschenrechte einzutreten.“ Dieter Kaufmann, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Württemberg, ergänzte: „Eine der Hauptherausforderungen ist, wie wir als Kirche angesichts dieser Menschenfeindlichkeit, letztlich dieser Gottesfeindlichkeit, Nächstenliebe wieder anders, neu, verstärkt buchstabieren.“ Und Benjamin Wahl vom Bund Deutscher Katholischer Jugend (BDKJ) schloss mit der
Forderung: „Wir brauchen Mut, um die Antworten zu finden, die uns die Sprachlosigkeit überwinden lassen, die wir in der Kirche oft haben.“
Konkret wurde es im Vortrag von Dr. des. Amrei Sander von der Universität Leipzig. Sie nahm ihre Zuhörer*innen anschaulich in ihre Analyse mit hinein und zeigte am Beispiel von Gender und Geschlechterrollen auf, welche Anschlussfähigkeit es zwischen einigen evangelikalen Milieus und der Neuen Rechten gibt. Zu Recht warf die anschließende Diskussion die Frage danach auf, worin wir als Christ*innen unsere christliche Identität definieren – auch vor der Herausforderung, dass eigene religiöse Identität die Diskriminierung und Abwertung anderer nicht legitimieren darf.
Den Abschluss des ersten Tages bildete eine lebhafte Podiumsdiskussion mit Gabriele Wulz, Dr. Michael Blume (Beauftragter der Landesregierung Württemberg gegen Antisemitismus) und Oberkirchenrat Christhard Wagner (Beauftragter der Evangelischen Kirchen bei Landtag und Landesregierung Thüringen) zum Thema „Nationales Christentum? Die Neue Rechte und die Theologie“, moderiert von Dr. Christian Staffa (Sprecher der BAG K+R). Die Diskussion warf u.a. einen Blick darauf, wie die Neue Rechte die Bibel gegen die verfasste Kirche mobilisiert, indem sie einerseits behauptet, christliche Bräuche und Traditionen zu verteidigen, während sie andererseits zugleich stark kirchenfeindlich auftritt. Im anschließenden Gespräch kristallisierte sich der deutliche Wunsch nach klaren Sprachbildern und nach einer präziseren, konkreteren (kirchlichen) Sprache heraus.
Der Samstagmorgen begann mit einem Vortrag von Prof. Dr. Heinz Streib von der Universität Bielefeldt zu psychologischen Ursachen rechtspopulistischer Vorurteile. Ihm schloss sich zwei interessante Berichte von Dr. Andrea Mammone (Universität London) und Zoltán Gábor Szücs (Budapest) über das Erstarken faschistischer und rechtspopulistischer Kräfte in Politik und Regierung in Italien und Ungarn an.
Zum Abschluss des Forums konnten die Teilnehmer*innen in 10 Workshops vertieft an der Herausforderung „mehr Theologie wagen“ arbeiten, u.a. zu Rechtspopulismus in verschiedenen Regionen Deutschlands oder christlich begründetem Antiziganismus und Antisemitismus.
Das Forum fand statt in Kooperation mit dem Bündnis Kirche für Demokratie und Menschenrechte in Württemberg (bkdmwü), der Diakonie Württemberg, dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) sowie der Evangelischen Akademie zu Berlin.
Text: Sandra Windisch, Bayerisches Bündnis für Tolerenz
Fotos: Sarah Tschiersch & Luis Schönecker
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