Rückblick: Jahrestagung in Berlin
Apokalypse nein! – Wie weiter in der kirchlichen Auseinandersetzung mit der extremen Rechten?
Jahrestagung der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus (BAG K+R) am 15. und 16. November in Berlin
Was können Kirchen und Zivilgesellschaft dem Erstarken der extremen Rechten entgegensetzen? Diese Frage stand im Mittelpunkt der Jahrestagung der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus (BAG K+R) am 15. und 16. November in Berlin.
In ihrem Grußwort vor 70 Teilnehmenden betonte Dr. Karlies Abmeier, Vorsitzende des Diözesanrates der Katholiken im Erzbistum Berlin, dass der christliche Glaube dazu aufrufe, es nicht gleichgültig hinzunehmen, wenn Rechtsextreme die Gleichheit aller Menschen in Frage stellen. Dr. Stephan Iro, Oberkirchenrat und Stellvertreter der Bevollmächtigten des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und EU, warb dafür, in der Auseinandersetzung der extremen Rechten immer auch auf Hoffnung zu setzen – „Fürchtet Euch nicht“ sei dafür eine zentrale christliche Aussage. Auch Max Landero, Berliner Staatssekretär für Integration, Antidiskriminierung und Vielfalt, machte sich stark dafür, in der Kritik des Rechtsextremismus auch für positive Zukunftsvisionen zu werben und neue Bündnisse zu schließen.
Im Anschluss widmete sich eine Podiumsdiskussion mit der Journalisten Doris Akrap (taz) und zwei Vertretern aus der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus der Frage, welche Auswirkungen die Erfolge von Rechtsextremen bei den Wahlen dieses Jahres hatten. Es gäbe einen „Rechtsruck im Rechtsruck“ – sowohl Markus Klein (Brandenburg) als auch Matthias Wörsching (Berlin) berichteten von einer enormen Zunahme von Beratungsfällen und vor allem einer Zunahme von Übergriffen. Gerade unter Jugendlichen seien rechtsextreme Einstellungen immer stärker verbreitet. Doris Akrap betonte, dass sich dieser Rechtsruck bereits sich seit Jahren entwickelt habe – mit dem Startpunkt in den Jahren 2015 und 2016. Der zweite Tag begann mit einer bewegenden Andacht des griechisch-orthodoxen Bischofs Emmanuel von Christoupolis. Der Bischof warb dafür, eigene Grenzen zu überdenken und erinnerte an eine existentielle christliche Tugend: Geduld.
In seinem Vortrag zum Einstieg in den zweiten Tag analysierte der Theologe Dr. Gregor Taxacher, Privatdozent an der TU Dortmund, Endzeit- und Untergangsvorstellungen aus der extremen Rechten. Bei diesen handele es sich eben nicht um biblische Apokalyptik – die Kritik an den ungerechten menschenfeindlichen Verhältnissen – sondern um eine Verfallstheorie und Selbstermächtigung zur Herstellung alter ethnisch zugeschriebener Überlegenheit. Die sich anschließende Podiumsdiskussion mit Dr. Friederike Krippner, Leiterin der Evangelischen Akademie zu Berlin; Walter Lechner, Referent für Sozialraumorientierung in Diakonie und Kirche bei der Diakonie Deutschland, und Dr. Petra Schickert vom Kulturbüro Sachsen widmete sich der Frage, wie Kirche und Zivilgesellschaft mit der erstarkten extremen Rechten umgehen können. Dr. Petra Schickert sah auch Hoffnungsmomente trotz einer insgesamt herausfordernden Situation. Es seien neue Bündnisse entstanden, mehr Menschen engagierten sich gegen Rechtsextremismus. Die Engagierten seien allerdings oft sehr bedroht. Auch Dr. Friederike Krippner sprach von einer neuen gesellschaftlichen Situation – es würden Dinge in der Öffentlichkeit gesagt, die noch vor wenigen Jahren nicht sagbar gewesen wären. Dennoch seit nicht alles nur negativ, es müssten auch vorhandene positive Ressourcen in den Blick genommen werden – in den Kirchen, in demokratischen Prozessen. Und diese auch eingesetzt werden. Walter Lechner wies darauf hin, dass in anderen europäischen Ländern Rechtsextreme noch stärker seien, dennoch sei auch in Deutschland an manchen Orten die gesellschaftliche Mehrheit für die Demokratie verloren gegangen. Er sprach sich dafür aus, auch an diesen Orten für die Demokratie zu werben und Verständigungsorte zu schaffen, an denen Menschen auch mit unterschiedlichen Meinungen sich austauschen könnten. In diesen, so weitere Einschätzung aus dem Gespräch, müssten aber klare Regeln gesetzt werden, die Angriffe etwa auf Betroffene von Rassismus verhindern.
Zum Abschluss der Tagung konnten in Arbeitsgruppen Diskussionen vertieft und Perspektiven der Teilnehmenden aufgegriffen werden. Die Workshops widmeten sich Themen wie Diskriminierungserfahrungen der griechisch-orthodoxen Community in Deutschland, rechtsextremem Terror, Antisemitismus in Deutschland in Folge des Terrorangriffs der Hamas auf Israel und Antiziganismus.
Das diesjährige Forum fand statt in Kooperation mit der Diakonie Deutschland, dem Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Berlin, dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend und der Evangelischen Akademie zu Berlin.
Text: Henning Flad
Fotos: Axel Schmidt www.axelschmidt.net